18. 01.12.15_klein

Di, 01. Dez 2015

Kathmandu

Benzinkrise

Die Lage in Kathmandu spitzt sich dramatisch zu. Seit nun über zwei Monaten erhält Nepal weder Benzin-, Gas-, noch Medikamentenlieferungen. Wenn überhaupt, erhält man Benzin nur noch auf dem Schwarzmarkt, welches in halsbrecherischen Aktionen über die Grenze geschmuggelt wird. Gestern schrieb die Nepali Times, dass ein Mann beim Schmuggeln von den grenzblockierenden Madhesi “erwischt” wurde. Sie übergossen ihn mit dem geschmuggelten Benzin und zündeten ihn an… Unglaublich… Die hinduistisch religiös geprägte, ethnische Gruppe der Madhesi, besteht aus Siedlern, welche ursprünglich aus Indien stammen. Sie machen ca. 20% der nepalesischen Gesamtbevölkerung aus. Die Madhesi fühlen sich in der neuen Verfassung nicht genügend berücksichtigt und fordern einen eigenen Distrikt und vor allem mehr Einfluss in der neuen kommunistisch ausgerichteten Regierung. In Nepal ist sich mittlerweile jeder sicher, dass diese Blockade eigentlich von Indien initiiert und die Madhesi stark von seiten Indiens unterstützt werden. Es ist eine Demonstration der Macht Indiens, das mit aller Gewalt eines der ärmsten Länder dieser Welt ausbluten lässt, um seinen politischen Einfluss nicht zu verlieren. Benzin bekommt man nur, wenn man jemanden kennt, der jemanden kennt, der vielleicht gerade welches hat. Umgerechnet zahlt man 5€ pro Liter und dann wird noch oft bei der Menge des ohnehin schon gepanschten Benzins gecheatet. Gas zum Kochen gibt es eigentlich gar nicht mehr und so kocht die 1,5 Millionen Stadt Kathmandu seit Wochen mit Holz oder mit Material, welches man sonst so irgendwie verfeuern kann. Zur Dinnerzeit brennt der Smog in den Augen. Doch selbst das Holz ist knapp und wird nur noch rationiert verkauft. Die Rationen reichen für viele Familien nicht zum Kochen aus. So zeigen sich im Stadtbild immer mehr Frauen, die kleinste Holzschnipsel auf den Straßen auflesen, um überhaupt noch etwas zum Verfeuern zu haben. Viele kleine Restaurants mussten schließen. Die Betreiber sind ihrer Existenz beraubt, müssen die Miete aber weiter zahlen. Der Tourismus ist der größte, wirtschaftliche Faktor und dieser ist im Vergleich zum Vorjahr um min. 75 % eingebrochen. Vielen Schulen droht die Schließung, sodass die Kinder in die zerstörten Dörfer zurück geschickt werden müssen, da sie nicht mehr verpflegt werden können. Den Krankenhäusern gehen allmählich die Medikamente aus und komplizierte Operationen können teilweise schon nicht mehr durchgeführt werden. Die einzige, verfügbare Energiequelle ist elektrischer Strom, allerdings ist der Bedarf immens gestiegen, da viele versuchen mit Strom zu kochen. Das hat zur Folge, dass das Stromnetz regelmäßig zusammenbricht. Im Stadtteil unseres Freundes Naresh gab es in den letzten 4 Tagen lediglich nachts für ein paar Stunden Strom. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Linsen haben sich in nur einer Woche verdreifacht und steigen weiter an. Dazu kommen die Millionen Menschen, die nach dem Beben alles verloren haben und den Winter ohne Hilfe in Zeltstädten und Wellblechhütten überstehen müssen, da auch 7 Monate nach dem Beben der Wiederaufbau immer noch nicht begonnen hat. “Kirghani” bedeutet “was soll man machen” und ist das meist gesprochene Wort dieser Tage. Doch in der Weise wie es ausgesprochen wird, hört man nicht mehr die typisch nepalesische Leichtigkeit, sondern mehr und mehr die große Verzweifelung heraus. Es ist gerade viel los in der Welt und die Medien überschlagen sich, dennoch möchte ich euch bitten, Nepal nicht zu vergessen. Diese wundervollen Menschen brauchen unsere Hilfe dringender als je zuvor.