19. 03.12.15_klein

Do, 03. Dez 2015

Slums, Kathmandu

Ein Feuer für Nepal

Am 05. Dezember haben wir die Aktion “Spende ein Feuer für Nepal” ins Leben gerufen. Diese Aktion sollte direkt Familien in der Hauptstadt Kathmandu unterstützen. Seit nun mehr als 3 Monaten dauert die Benzin- und Gasblockade Indiens an. Die Medien in Deutschland berichten wenig, bis gar nicht über die Umstände und die Auswirkungen, die diese Blockade für Nepal bedeutet. Deshalb tun wir es! Man vermutet, dass die Blockade von der indischen Regierung unterstützt wird, welche Nepal zwingen will, ihre kommunistisch geprägte Verfassung zu ändern, um den indisch-hinduistisch, politischen Einfluss im Himalaya-Land zu sichern. Der politische Anführer der Madhesi (indisch ethnische Gruppe in Nepal) hat im nepalesischen Fernsehen verkündet: “Wir werden die Menschen in Kathmandu fertig machen!” Eine Kampfansage, die keine leere Worthülse ist. Es fehlt besonders in der Hauptstadt an Benzin und Gas zum Kochen. Lebensmittelpreise steigen ins Unermessliche. Brennholz ist rar und reicht nicht für alle Bewohner der Hauptstadt aus. Viele Familien leben immer noch auf der Straße, da sie nach dem Erdbeben im April ihr Haus verloren haben. Ihnen fehlt das Geld für Holz und Nahrung. Strom ist in vielen Teilen der Stadt lediglich in der Nacht verfügbar. 

Mit der Aktion “Ein Feuer für Nepal” haben wir zu Spenden aufgerufen, um insbesondere diesen Menschen zu helfen, indem wir große Mengen an Brennholz und Reis an diese mittellosen Familien verteilten, um ihnen so für ein paar Wochen über den Winter zu helfen. Ein großes Dankeschön gilt all denen, die in den letzten Wochen eifrg gespendet haben. Mit eurer Unterstützung konnten wir bis dato genug Geld sammeln, um insgesamt 65 Familien in Kathmandu zu helfen. 

Gemeinsam mit unseren einheimischen Freunden Naresh, Krishna und vielen weiteren haben wir innerhalb kurzer Zeit die 65 bedürftigen Familien ausfindig machen können. Dafür sind wir tagelang durch die Armenviertel und die Slums der Stadt gewandert und haben die Menschen zunächst in ihren Behausungen, Wellblechhütten und Zeltplanen besucht. Viele dieser Menschen haben ihre Häuser beim Erdbeben vom 25. April verloren. Sie leben seitdem auf der Straße oder in den alten Ruinen ihrer Häuser. Sie haben sich teilweise mit altem Wellblech kleine Schutzhütten gebaut oder die Hausruinen mit Zeltplanen und Wellblech ausgebessert. Viele Menschen leben auch in kleinen Hütten, die sie sich aus den Steinen ihrer alten Häuser selbst wieder zusammen gezimmert haben, allerdings ohne diese mit Mörtel fixiert zu haben. Teilweise werden die Steine gar nicht oder nur mit Kuhdung zusammen gehalten, was extrem gefährlich ist, sollte ein nächstes Beben folgen. Seit April letzten Jahres verspricht die Regierung diesen Menschen finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, damit sie ihre Häuser wieder aufbauen können, doch bis heute sind nicht ansatzweise ausreichende Hilfsmittel geflossen. Hinzu kommt nun die Blockade, das Fehlen von Gas zum Kochen, das Steigen der Nahrungsmittelpreise und die Kälte des Winters, welchen die 

Menschen in ihren sperrlichen Behausungen verbringen müssen. Die Menschen in der Stadt haben zudem den Nachteil, dass sie kein Land besitzen, auf dem sie sich ihr eigenes Gemüse anbauen könnten. Somit sind sie zudem abhängig davon, Lebensmittel in der Stadt zu kaufen. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis oder Linsen sind in den letzten Wochen extrem gestiegen, teilweise haben sie sich verdreifacht. 

Wir haben jede einzelne Familie besucht, mit ihnen gesprochen und ihnen Coupons überreicht. Mit einem Coupon erhielt eine Familie 35 kg Brennholz und einen 30 kg Sack Reis, den sie sich an einem vereinbarten, öffentlichen Platz in der Stadt abholen konnten. Die Güter haben wir jeweils für einen 4-Personen-Haushalt kalkuliert. Familien, die mehr Mitglieder hatten als 4 Personen, haben dementsprechend mehrere Coupons bekommen. Dadurch, dass wir alle Familien persönlich besucht haben, hatten wir einen guten Überblick darüber, dass die Verteilung gerecht zuging, zudem haben wir enge Kontakte und neue Freundschaften geknüpft. Obschon der zum Teil unmenschlichen Armut, in der die Menschen leben, haben sie uns in ihren Behausungen freundlich empfangen und zum Tee eingeladen. Alle Familien waren überglücklich über die Hilfe. Wir vereinbarten einen bestimmten Tag, an dem die Menschen zu einem öffentlichen Ort kommen konnten, um gegen Abgabe des Coupons, die Güter in Empfang zu nehmen. Auf einem Sportplatz lagerten wir die insgesamt 2 Tonnen Brennholz und die 65 Sack Reis. Die Menschen kamen zu Fuß oder transportierten mit ihren klapprigen Fahrrädern das Holz und den Reis zurück in ihr zu Hause. Teilweise kamen einige mit Motobikes, auf denen sie kunstvoll die Güter stapelten und abtransportierten. Von unseren Guesthouse-Besitzern haben wir vor dem Tag der Verteilung noch ca. 40 Zeltplanen geschenkt bekommen. Diese konnten wir zudem, denen Menschen mitgeben, die in den ärmlichsten Unterständen lebten, sodass sie ihre Behausungen ausbessern konnten. Es gab wieder viele lächelnde und glückliche Gesichter an diesem Tag, inklusive unseren. Ein junger Mann kam auf uns zu, nachem er Holz und Reis für seine Familie abgeholt hatte und überreichte uns ein besonderes Geschenk: ein selbstgemaltes, nepalesisches Mandala; ein wirklich einmaliges Kunstwerk und ein wundervolles Geschenk, über welches wir uns sehr gefreut haben. 

Bei unseren Besuchen in den Armenvierteln und Slums sind wir auch auf eine größere Gruppe von Menschen gestoßen, 5 Familien, die sich direkt an dem Ufer des Flusses ihr Lager aufgebaut hatten. Dazu sei zu bemerken, der Fluss, der durch Kathmandu führt, kann nicht mehr wirklich Fluss genannt werden. Es ist eine städtische Kloake, in die all die Abwässer der Stadt ungefiltert münden und die man schon auf weite Entfernung zuvor riechen kann. Wildschweine tummeln sich an den Ufern, denn diese sind gesäumt von Bergen aus Müll. Die absolut Ärmsten der Armen leben hier, die unterste Kaste Nepals, die auch “die Unberührbaren” genannt werden. Solche, die so arm sind, dass es sich nicht ziehmt ihnen zu helfen, geschweige denn, sie zu berühren. Diese 5 Familien leben hier in Hütten, die sie sich selbst aus Plastik und aufgesammelten Müll zusammen geschustert hatten. Es war ein unfassbares Bild. Bestimmt ein duzent Kinder liefen zwischen den Abfallhäusern umher, ohne Schuhe, teilweise ohne Hosen und halbnackt. Die Mütter ausgemergelt und erschöpft, die Väter teilweise angetrunken und mit hoffnungslosen Augen. Es sind Menschen, Tagelöhner, die aus den Dörfern in die Stadt gekommen sind, auf der Suche nach Jobs auf Baustellen, doch aufgrund der Blockade liegen viele Baustellen lahm, da Baumaterial und Transport zu teuer geworden sind. So fristen die Menschen ihr Dasein arbeitslos am Fluss. Natürlich war es nicht schön zu sehen, dass einige Männer angetrunken waren, doch uns war klar, dass jeder eine zweite Chance verdient hat. Zudem litten die halbnackten Kinder in dieser Umgebung enorm. Wir organisierten speziell für diese Familie einen Transport mit Holz, Reis und Winterkleidung für die Kinder. Über die Mützen mit Tiergesichtern freuten die Kleinen sich am meisten. Bis zur Dämmerung verbrachten wir Zeit mit diesen Familien. Wir redeten über 

die Zukunft und die Optionen, eventuell einen Job zu bekommen. Da wir parallel auch Wiederaufbauprojekte geplant haben, wollten wir einige Männer auf diese Baustellen vermitteln. Sie versprachen uns, dass sie aufhören würden zu trinken und pünktlich bei der Arbeit erscheinen würden. Es war ein wunderbarer Tag, der viel Hoffnung schenkte. Die Kinder wollten unsere Hände gar nicht mehr loslassen. Sie lachten und sangen mit uns und wollten immer wieder auf den Arm genommen werden. Wir werden sehen, was in Zukunft mit diesen Familien passiert. Vielleicht gibt es wirklich die Möglichkeit, den Männern einen Job zu vermitteln. Einen Versuch ist es immer wert. Zunächst ist es jedoch ein beruhigender Gedanke, dass zumindest die Kinder in ihrer neuen Winterkleidung am warmen Feuer sitzten können. 

Die Aktion “Ein Feuer für Nepal” war also über alle Maßen erfolgreich. Wenn ihr es unterstütztenswert findet, was wir tun, könnt ihr diese Aktion immer noch mitfinanzieren. 

Vielen Dank an alle Spender, auch im Namen aller Familien! 

Namaste! Germaid & Björn