6. 08.05.15_klein

Fr, 08. Mai 2015 

Dhadakharka, Region Nuwakot

Hilfsgüterverteilung

Das war das Ziel unserer Reise der letzten zwei Tage. Die Region Nuwakot liegt nord-westlich von Kathmandu und ist 67 km und 3 Autostunden von der Hauptstadt entfernt. In Nuwakot wollten wir zunächst die Stadt Devighat erreichen. Ein wunderschöner Ort im Tal, an dem zwei Flussströmungen aus den Bergen aufeinander treffen. Von dort aus sollte der Weg uns noch stundenlang weiter führen in die Berge, über Bergkämme, durch Wälder, auf staubigen Schotterstraßen mit einer riesigen Truck-Ladung Nahrungsmittel und immer am Rande des Abgrunds. Stätig ging es bergauf, bis zu einem sehr hochgelegenen Dorf namens Dhadakharka auf der Spitze des Berges. Bevor wir jedoch unseren zweitägigen Hilfsgüter-Trip angetreten sind, ging es wieder einmal auf Shopping-Tour. In Kathmandu organisierten wir zwei Pick-Ups, auf denen wir die Ladung von 120 Säcken Reis (25 kg), 5 Säcke Dhal/Linsen (30 kg), über hunderte Packete Salz, sowie Öl, Kekse und Zeltplanen aufluden. Unser Team, welches sich auf den Weg gemacht hat, bestand aus fünf ausländischen Helfern, inklusive uns, und vielen weiteren Einheimischen. Schon die Fahrt nach Devighat war ein Abenteuer. Während die Truck-Fahrer die Serpentinen hochheizten, saßen wir oben auf der Ladung des Trucks und wurden von einer Seite zur anderen geschleudert, mit Mundschutz natürlich, sonst wäre die Fahrt auf den staubigen Straßen kaum auszuhalten gewesen. Leider zeigte einer unserer Fahrer etwas zu viel Ambition und donnerte Full-Speed eine steile Straße hinunter. Unser vorderer Pick-Up musste plötzlich stark bremsen und schon war es geschehen. Der hintere Pick-Up krachte auf den anderen und beide Pick-Ups hatten beachtlich Schäden in der Verkleidung. Nach ein wenig hin und her überlegen, war es klar, wir fahren weiter. Niemand war verletzt, die Autos noch fahrtüchtig, also weiter ging’s… Angekommen in Devighat! Hier luden wir zunächst einmal all unsere Hilfsgüter ab und organisierten einen größeren Truck und einen Fahrer mit mehr Erfahrung, der uns am nächsten Tag weit in die Berge bringen sollte, denn weiter Unfälle wären lebensgefährlich geworden, auf den Straßen, die nun vor uns lagen. Eine schmale Hängebrücke über den Fluss Trishuli, führte uns dann in unser Nachtlager. In dem Ort Trishuli, einen 10-minütigen Fußmarsch über die Hängebrücke von Devighat entfernt, trafen wir auf eine wunderbare Local-Familie, die uns herzlich aufgenommen hat. Hanuman, einer der Dorfbewohner lud uns ein, bei ihm zu übernachten, seine Frau beköstigte uns. Wir durften eine Gastfreundschaft erleben, die einen das Herz wärmt, wenn man bedenkt, dass auch diese Menschen alles verloren haben. Trishuli selbst ist zu 70 % zerstört. Viele Menschen auf dem Weg zu unserer Herberge haben wir schon am Rand der Straße medizinisch versorgt. Obwohl Hanuman und seine Familie selbst kein Haus mehr besitzen, weil alles in Schutt und Asche liegt, hat er uns aufgenommen und alles daran getan, dass wir unsere Reise am nächsten Tag fortführen können nach Dhadakharka. Als wir unser Lager unter zwei Zeltplanen errichtet hatten, kamen weitere Dorfbewohner mit Verletzungen, die wir behandelt haben. Unsere Krankenschwester Therese hat Germaid und Megan aus unserem Team bereits in die Ausbildung der Erste Hilfe genommen, sodass wir ebenso medizinische Versorgung leisten können. Unsere Herzen waren zutiefst mit Trauer erfüllt, als ein Vater mit seiner kleinen fünfjährigen Tochter mit 

einem enormen Verband, um ihre Hand zu uns kam. Ihr ist beim Beben ein Stein auf die Hand gefallen, sodass ein Finger einen offenen Bruch hatte. Dieser war eigentlich zu retten gewesen. Doch der zuständige Arzt im Krankenhaus hatte zur Zeit der Beben so viel zu tun, dass er einfach den Finger des Mädchens amputierte. Die Kleine war unfassbar tapfer, als unsere Krankenschwester ihr einen neuen Verband angelegt hat. Unsere Nacht verbrachten wir dann in einer Wellblechhütte auf dem Lehmboden. Toll! Hanuman und seine Familie haben innerhalb von zwei Tagen diese großartige Hütte aus den Trümmern wieder aufgebaut und können hier nun vorläufig einigermaßen gut leben. Wir fühlten uns geehrt und empfanden diese Unterkunft als das beste Hotel, in welchem wir bisher auf unserer Reise Gast sein durften. Der nächste Morgen: Um Punkt 6:00 Uhr wurden wir von einem unserer Locals aus den Federn getrommelt. Während das Dorfleben schon längst im Gange war, schliefen wir Ausländer noch tief und fest. Und dann ging’s los. Der größere Truck konnte nun die ganze Ladung fassen, die wir zuvor auf zwei Pick-Ups verteilt hatten. Alle Mann und Frau wieder hinten drauf auf die Ladung, Mundschutz aufgesetzt und ab in die hohen Berge. Der Weg führte auf der schmalen, staubigen Straße, die sich an den Berghängen entlang schlengelte an tiefen Schluchten vorbei. Teilweise sahen wir neben uns nur noch Abgrund. Das Beben hinterließ auch hier seine Spuren. Es lagen viele Felsbrocken auf der Fahrbahn und enorme Risse durchzogen den Weg. Doch unser Fahrer war top und verdient einen Orden dafür, dass er uns diese abenteuerliche Straße sicher hoch und runter gebracht hat. Oft mussten wir anhalten und unsere Jungs schoben den Truck an, wenn dieser die Steigung nicht schaffte. Zwei mal mussten wir sogar die Hälfte der Säcke abladen, weil die Ladung zu schwer war für gewisse Wegstrecken. Der Truck fuhr dann mit der anderen Hälfte die extreme Steigung weiter. Oben angekommen luden wir den Rest ab, der Truck fuhr wieder runter und holte Teil zwei der Ladung nach oben. An einer Stelle kamen die Dorfbewohner herunter und schleppten die 25-Kilo schweren Reissäcke selbst nach oben, sodass der Truck ohne Ladung weiterfahren konnte, weil der Weg einfach immer steiler und unbefahrbarer wurde. Wir begegneten einem ca. 70-jähriger Mann der weiter unten am Berg auf unseren Truck hüpfen wollte, um ein paar Meter mitgenommen zu werden. Er wurde jedoch wieder herunter gegeten. Egal, oben auf dem Berg trafen wir ihn wieder, vielleicht eine Stunde später hatte er uns mühelos eingeholt. Genüßlich und entspannt paffte er auf seiner selbstgebastelten Pfeife und lief beschwingt den Berg wieder hinunter mit seinen drahtigen Beinen. Keine 10 Minuten später spazierte er wieder nach oben, diesmal mit einem 25-Kilo schweren Sack Reis auf seinen Schultern. Die Menschen in den Bergdörfern sind einfach der Wahnsinn. Alte Männer und Frauen und Kinder tragen hier die schwerste Last vor ihre Stirn gebunden, alles gar kein Problem. Sehr beeindruckend. Nach ca. 5 Stunden gelangten wir dann endlich in das Dorf Dhadakharka. Hier oben und auch schon auf dem Weg hierhin wurden wir mit dem schönsten Blick der Welt belohnt über Berggipfel, bewaldete Hänge, saftig grüne Reis-Terrassenfelder. Dieses Land ist so unfassbar schön, dass wir nur staunen konnten. Wieder einmal versorgten wir die Menschen medizinisch und verschafften uns einen Überblick über die Zerstörung. Viele Häuser waren auch hier zerstört, oder hatten so enorme Risse, dass man sie nicht mehr gefahrlos betreten kann. Das große Problem, was die Menschen hier haben ist, dass ihre Nahrungsvorräte und ihre Saatgut teilweise in den Häusern verschüttgegangen ist, was ihnen als Bauern dauerhaft die Lebengrundlage nimmt. Daher haben wir diese Menschen zunächst einmal mit Nahrung versorgt. 120 Sack Reis, Dhal, Salz, etc. für 120 Familien. Unsere Locals haben die Verteilung vorbildlich organisiert. Es gab eine lange Namensliste der Familien im Dorf. Jede Familie wurde aufgerufen und ein Mitglied kam hervor und konnte die Nahrungsmittel entgegen nehmen. So haben wir verhindert, dass ein zu großer Andrang beim Verteilen der Güter vorherrschte oder dass einige Familien mehr bekamen als andere. An einem Tag konnten wir nun 120 Familien glücklich machen. Hunderte von strahlenden Gesichtern schienen uns entgegen. Wir haben wieder soviel 

positive Energie mitgenommen, dass wir hier noch wochenlang weitermachen könnten. Als wir uns wieder auf unseren leeren Truck geschwungen haben, liefen viele der Dorfbewohner und Kinder noch freudig und winkend hinterher, immer mit einem Namaste zum Himmel gerichtet. Danke! Auf dem Weg nach unten wurden wir jetzt nochmal ordentlich durchgeschüttelt, da wir nun auf dem nackten Stahl saßen und nicht mehr auf der Ladung. Doch ein bisschen hatten wir sogar noch über. Kekse, einen Sack Reis und einige Zeltplanen konnten wir auf dem Weg runter nach Trishuli noch aus dem Truck an Menschen verteilen, die auch ihre Herberge verloren haben. So haben wir an diesem Tag über tausend Menschen helfen können, auch dank eurer Spenden. Ihr seit Teil dieser Reise gewesen. Wir danken euch von Herzen, dass wir mit euren Spenden überhaupt solch großen Hilfsaktionen in so abgelegende Orte möglich machen können. Auf das noch viele folgen! Danke!! Germaid & Björn P.S.: Auf dem Weg bergab haben wir in einem Ort einen Mann getroffen, der davon gehört hat, dass ein Hilfsgütertransport in der Region ist. Schnell hat er sich auf den Weg gemacht, uns zu finden. Sein ganzes Dorf sei zerstört, noch keine Hilfe sei angekommen. Die Dorfbewohner stammen aus der niedrigsten Kaste und bekommen teilweise keine Kredite, um sich Lebensmittel zu kaufen. Doch ihre Vorräte und ihre Saat ist verschüttet. Björn ist sofort mit einem Motorbike in dieses Dorf gefahren und hat eine erste Bestandsaufnahme gemacht und tatsächlich: 300 Häuser – 100 % Prozent Zerstörung. Ihr könnt euch sicher sein, dass ihr bald mehr lesen und sehen werden von diesem Dorf, denn das wird unser nächstes Ziel sein!