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Mo, 11. Mai 2015

Alam Dada, Region Nuwakot

Hilfsgüterverteilung

Etwas länger habt ihr nichts von uns gehört. Nach dem letzten Beben gab es andere Aufgaben für uns, doch jetzt ist die Zeit, um euch über die letzten Tage wieder ausführlich zu berichten. Zunächst unser Bericht vom 11.Mai über unsere Hilfsgüterübermittlung in das Dorf Alam Dada 6 in der Region Nuwakot. “Das Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.” (Albert Schweitzer) Zugenüge durften wir die Wahrheit dieses Zitats erleben, bei unserer letzten Hilfsgüteraktion in die Berge von Nuwakot. Unser Ziel war ein Dorf mit dem Namen Alam Dada 6 (9 Alam Dadas befinden sich insgesamt in der Region). Nachdem wir zwei volle Tage an der Planung saßen, hatten wir am morgen des 11.Mai einen Pick-Up fertig zum beladen mit 300 Zeltplanen vor unserem Guesthouse in Kathmandu stehen. Allerdings war es zunächst einmal wieder ein Akt diese überhaupt zu beschaffen. In unserer Nachbarschaft Thamel werden die Zeltplanen zu Wucherpreisen verkauft, teilweise für 20 EUR das Stück, 12×15 ft. Zum Vergleich: In Indien bekommt man eine bessere Qualität für etwas über 5 EUR das Stück. Aber wir mussten irgendwie die letzten Rupien zusammen kratzen, da wir 300 Familien versorgen wollten, die ihr Dach über dem Kopf verloren haben. Insgesamt haben wir die Zeltplanen nun von 3 verschiedenen Händlern erstanden. Einen Deal haben wir sogar erst spontan am morgen der Tour abgeschlossen. Wir sind mit dem Pick-Up schon auf dem Weg in die Berge gewesen und haben sozusagen am Straßenrand noch schnell die restlichen Zeltplanen erworben. Das ist Nepal! Schnell und flexibel müssen wir denken und handeln dieser Tage. Feste Pläne halten vielleicht maximal für eine halbe Stunde. Unser erstes Ziel, die Stadt Devighat, die wir 3 Tage zuvor schon besucht hatten. Hier warteten unsere einheimische Kontaktperson Hanuman und zwei große Truckladungen Nahrung bereits auf uns. Dank Hanuman haben wir für die Lebensmittel einen einzigartigen Rabatt bekommen, den man nur aushandeln kann, wenn man mit Einheimischen zusammen arbeitet. Dadurch, dass wir die Lebensmittel vor Ort und nicht in Kathmandu gekauft haben, kurbeln wir gleichzeitig die Wirtschaft der Händler in der Bergregion wieder an. Unsere Einkaufsliste bestand aus: 300 Sack Reis a 30 kg 24 Sack weiße Bohnen a 30 kg 300 Pakete Öl a 1 Liter 300 Pakete Salz a 1 kg Zu einem Preis von umgerechnet ca. 3.870 EUR. Sowie 300 Zeltplanen zu einem Preis von 2,700 EUR. In Devighat wartete zudem ein spanisches Filmteam auf uns, welches unsere Hilfsgüteraktion begleitete. Sie werden einen Dokumentarfilm über die Arbeit freiwilliger Voluntere in Nepal erstellen und unsere Arbeit wird Teil der Dokumentation sein. Am Vormittag hatten sie bereits Zeit in das betroffene Dorf zu fahren und Bildmaterial aufzunehmen. Nun folgten weitere Interviews mit Hanuman und Björn zu der Hilfsaktion und über unsere weiteren Vorhaben. Gegen 14 Uhr waren wir dann endlich soweit, den Weg in die Berge auf uns zu nehmen. Unser Team von sechs Helfern, Hanuman und vielen weiteren Einheimischen machte sich auf den Weg, entweder auf der Ladung der Trucks oder auf Bikes nebenher. Der 

Schotterweg nach Alam Dada 6 war dieses mal nicht so lang, wie nach Dhadakharka, unserem letzten Ziel, doch mindestens genauso steil und unwegsam. Zudem zogen bereits am frühen Nachmittag Regenwolken über den Bergen herauf. Sollte es beginnen zu regnet, wäre es unmöglich gewesen mit den Trucks weiter zu fahren, geschweige denn nach der Aktion wieder zurück an unseren Basisort Devighat zu gelangen. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Wir waren gerade einmal auf dem Hinweg zum Dorf und wollten noch 300 Familien versorgen und schon drohte die dunkle Wolkenwand über den Bergen uns einen Strich durch die Rechnung zu ziehen. Doch nichtsdestotrotz ging es weiter, die steilen Serpentinen herauf. Ohne weitere großen Hindernisse gelangten wir schnell nach Alam Dada 6. Es handelt sich um ein zweigeteilten Dorf. Oben auf der Bergspitze wohnen 150 Familien aus der unteren Kaste, ein paar hundert Meter bergab leben weitere 150 Familien der höheren Kaste. Wir begannen mit der Verteilung im oberen Teil des Dorfes. Hier hat es die Menschen wirklich am härtesten getroffen. Die Zerstörung war wieder einmal schockierend. 100 % der Gebäude, restlos zerstört. Saatgut und Nahrungsvorräte lagen unter den Trümmern der Behausungen. Doch als wir das Dorf erreichten, war es nicht die niederschmetternde Zerstörung, die uns begrüßte, sondern über 1000 freudestrahlende Menschen, die mit Blumenkränzen auf uns zu rannten. Jeder von uns bekam einen Blumenkranz von einem Kind umgelegt und wir wurden mit roter Farbe auf unserer Stirn gesegnet. Jubelnde Menschen soweit das Auge reichte, die auf den Trümmern vor Freude über unsere Ankunft tanzten. Das hatten wir nicht erwarten. Die Regenwolken waren vergessen und wir starteten sofort unsere Arbeit. Therese, unsere Krankenschwester, schlug ihr Lager in der Mitte des Dorfplatzes auf, sodass die Verletzten zu ihr kommen konnten. Thea und Germaid verteilten einen Proteindrink mit Schokoladengeschmack an alle Kinder. Björn und der Rest der Männer entluden den Truck. Weiterhin mussten wir die 24 Sack Bohnen in kleinere Tüten aufteilen, sodass jede Familie 2 kg Bohnen erhalten konnte. Wir bildeten eine Kette dafür und hatten dank der guten Teamarbeit in kürzester Zeit 300 Tüten mit Bohnen, Salz, Öl und Kerzen gepackt. In der Zwischenzeit reihten sich die Bewohner auf dem Dorfplatz auf. An dieser Stelle, einen großen Dank und Respekt an Hanuman, der in zwei Tagen alle Familiennamen der Bewohner aufgelistet hat und Coupons an jede Familie mit Namen und Stempel verteilte. So konnten wir sicher stellen, dass wirklich jede Familie ihre Güter erhält. Die Aktion war vorbildlich und professionell organisiert und so konnten wir in kürzester Zeit den oberen Teil des Dorfes versorgen. Für Jede Familie erhielt einen Sack Reis, Bohnen, Salz, Öl, Kerzen und eine Zeltplane. Freude und Glück waren auf den Gesichtern der Menschen geschrieben, als sie die Güter entgegen nahmen. Lachende und jubelnde Kinder rannten um uns herum und hielten uns an den Händen. So viele kleine Wunder sind uns an diesem Tag begegnet. Bei einem Spaziergang durch die Trümmer des Dorfes wurden wir von einer Familie zum Tee eingeladen. Unter einem kleinen Unterstand aus Holz und Stroh lag eine Frau, neben ihr ein neugeborenes Kind, welches gerade mal einen Tag alt war. Zwischen all der Zerstörung hat sie am Tag zuvor ihren Sohn geboren, den wir nun bewundern durften. Ein großes Hoffnungslicht zwischen all dem Leid. Nach einigen Stunden verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Weg zum unteren Teil des Dorfes. Dort standen die Menschen auch bereits aufgereiht und der gleiche Prozess der Verteilung und der medizinischen Versorgung begann. Erster in der Reihe, war der Dorfälteste, ein kleiner, faltiger Mann von 91 Jahren, der mit Tränen in den Augen die ersten Güter entgegen nahm. Ein Trupp des nepalesischen Militärs stand um uns herum, bewunderte unsere Aktion und die Soldaten nahmen Fotos von uns auf. Björn sprach einen Soldaten an und fragte, wo denn die Hilfe der nepalesischen Regierung bliebe. Der Mann konnte daraufhin nur antworten, dass es ihn auch betrübt zu sehen, wie die Menschen leiden und dass hier keine Hilfe seitens der Regierung her gelangt. Sie wurden aus verschiedenen Teilen Nepals lediglich hierher stationiert, um “für Ordnung zu sorgen”. Einfluss darauf, dass humanitäre Hilfe geleistet wird, haben sie jedoch nicht. 

Kurz bevor die Dunkelheit herein brach, waren wir fertig mit unserer Verteilungsaktion. Nach einem kurzen Abendessen fuhren wir mit dem leeren Pick-up die Serpentinen wieder herunter, als der leichte Nieselregen begann. Die ganze Zeit über hingen die dunklen Wolken bedrohlich über uns, doch erst auf dem Heimweg fing es dann schließlich an zu regnen. Ein Lächeln stand auf all unseren Gesichtern als wir durch die Dunkelheit am Abgrund entlang sausten, weil wir wussten, dass 300 Familien nun unter einer Zeltplane im Trockenen sitzen konnte. Das war allerdings nicht das einzige Wunder, welches wir an diesem Tag erlebten. Therese hatte vor unserer Abfahrt von dem spanischen Filmteam Utensilien bekommen, um einen Gipsverband anzulegen. Tatsächlich kam eine Frau zu ihr, die einen Bruch am Handgelenk hatte, der bisher nicht behandelt wurde. Nun konnte sie die Utensilien nutzen, um der Frau einen Gips anzulegen. Ebenso hat Therese unter den Spenden, die in unserem Guesthouse gesammelt werden, eine große Packung Augentropfen gefunden. Und wie der Zufall es will oder das Schicksal für uns bereit gestellt hat, kamen am heutigen Tag sehr viele Menschen mit Augenproblemen zu ihr. Der Schokotrunk hat bis auf den letzten Tropfen für jedes einzelne Kind ausgereicht und am Ende haben wir unsere allerletzte Zeltplane an die letzte Familie überreichen können. Wir saßen auf dem Pick-Up, unsere Herzen waren erfüllt von all dem Glück und der Liebe, die wir heute geteilt haben und die wir hundertfach zurück erhalten haben, von den über 2000 Menschen aus Alam Dada 6. Die strahlenden Gesichter bleiben nun für immer in unserer Erinnerung. Und als der Mond durch die Wolken brach, sahen wir uns an und wussten nicht, ob es der Regen oder Tränen der Freude waren, die uns die Wangen herabrollten. Es war ein guter Tag!