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Tag 2 – 07. Okt. 2016 – Donezk – Die wahren Gesichter von Donezk

Die wahren Gesichter von Donezk

Ich will einfach nur nach Hause...“

Wir haben geschlafen. Mitten in der Nacht hat man uns bombardiert.“

Wir wollen keine vereinigte Ukraine. Die ukrainische Regierung wollte uns töten. Wie können wir uns mit denen vereinigen, die uns töten wollten?“

Man hat berichtet, die ukrainische Armee habe das Gebiet Piaski befreit. Was heißt befreit? Befreit heißt, sie haben uns getötet, unsere Häuser zerstört, geplündert und uns vertrieben.“

Das hat alles nichts mit den Menschen in der West-Ukraine zu tun. Wir können der Regierung nicht verzeihen, aber wir lieben unsere Nachbarn, die Menschen in der West-Ukraine.“

Die Ukraine ist ein sehr schönes Land. Ich habe mich dort immer sehr wohl gefühlt!“

Das sind nur einige wenige Stimmen von Menschen, die einem vergessenen Krieg zum Opfer gefallen sind. Heute haben wir ein Flüchtlingsheim in der Stadt Donezk besucht. Es handelt sich um ein ehemaliges Sanatorium. Mittlerweile leben die Menschen hier seit dem dritten Jahr. Sie wissen nicht, wie es weiter gehen soll. Das Heim finanziert sich aus Spenden. Viele haben Angst, dass das Heim aus finanziellen Gründen geräumt werden muss.

Glücklicherweise war es nach Ausbruch des Krieges im Sommer 2014 sofort nutzbar, sodass die vertriebenen Familien hier ein neues Heim finden konnten. Vertriebene Familien? Neues Heim? Warum eigentlich? In den westlichen Medien wurde doch immer berichtet, die ukrainische Armee wolle die Menschen im Gebiet Donezk von den sogenannten pro-russischen Separatisten befreien? Was diese “Befreiung“ wirklich bedeutet, haben wir heute schmerzlich erfahren dürfen.

247 Menschen leben in dem Komplex in der Stadt, der „beschussfreien Zone“, darunter 87 Kinder, die alle zusammen Schreckliches gesehen und erlebt haben. Sie hatten ihre Häuser in den Vororten Piaski, Slaviansk und Kramatorsk. Alles Außenbezirke von Donezk, in denen Familien gelebt haben, Kinder zur Schule und in den Kindergarten gegangen sind, alte Menschen schon seit ihrer Geburt in ihren Häusern wohnten. Das, was für viele Hunderte eine friedliche Heimat darstellte, wurde über Nacht zu ihrem Albtraum. Sie wurden beschossen, teilweise mitten in der Nacht.

Eine 82-jährige Frau berichtet, wie sie aus ihrem Haus fliehen musste. Gott sei Dank haben ihre Nachbarn ihr geholfen und sie schnellstmöglich in die Stadt gebracht. Noch auf der Fahrt erlitt sie einen Herzinfarkt. Nun lebt sie seit über zwei Jahren in dem Flüchtlingsheim. In dieser Zeit hat sie noch zwei weitere Herzinfarkte erlitten. Sie erzählt, ihr Mann und ihr Sohn seien ums Leben gekommen. Ihr Sohn sei noch auf einem Friedhof in Piaski, ihrer Heimat begraben worden. Sie beginnt zu weinen: „Ich will nur nach Hause! Ich habe nur einen Wunsch. Ich möchte neben meinem Sohn in meiner Heimat begraben werden.“  Wir sind alle sehr bewegt und auch uns treten die Tränen in die Augen. Was können wir in dieser Situation tun, als ihre Hand halten und mit ihr weinen...

Sie hat fast kein Geld zum Überleben. Die ukrainische Regierung zahlt ihr keine Rente mehr, so wie allen Rentern, die in der Ostukraine leben. Die Regierung der noch nicht international anerkannte Volksrepublik Donezk zahlt ihr eine soziale Hilfe. Doch auch hiermit kann sie sich kaum alle Medikamente leisten, die sie zum Überleben braucht. Wir bringen ihr die nötigen Medikamente. So wie dieser Frau geht es allen Menschen hier, besonders die Alten und die Kinder leiden. Viele sind krank, können sich Medikamente nicht leisten mit der sozialen Hilfe, die umgerechnet 30 Euro im Monat beträgt. Wir erhalten von Valentina eine Liste von den lebenswichtigen Medikamenten und kaufen zuvor in einer Apotheke für über 600 Euro die Arznei, Windeln, Obst und Kekse für die Kinder.

Die Bewohner des Flüchtlingsheims können es nicht glauben, als sie in der Aula des Heims sitzen, um uns zu begrüßen und wir tatsächlich mit den Gütern auftauchen. Oft schon kamen Hilfsorganisationen und haben nach solchen Listen gefragt, aber nie kam etwas zurück. Die Augen der Menschen, vorwiegend sind es Frauen und Kinder, sind müde und glasig. Sie beginnen Vertrauen zu finden und sind bereit vor der Kamera von ihren Geschichten zu berichten.

Ein junger Familienvater war an der Front. Er hat sich entschieden, die Waffe niederzulegen und sich um seine vier Kinder zu kümmern. Seine Frau arbeitet im Lebensmittelhandel und verdient ein geringes Gehalt für die Familie. Wir besuchen ihn und seine jüngste Tochter und bringen ihm Windeln für sein Kind, die sich die Familie nicht leisten kann.

Wir besuchen ein altes Ehepaar. Der Mann war ebenfalls bei der Armee. Er liegt seit über sechs Jahren im Bett, spricht nicht mehr, schaut uns nur noch aus verwirrten Augen an, aus denen wir lesen können, was Krieg aus den Menschen macht... Die Frau, selbst schon über 70 Jahre, kümmert sich um ihren Mann. Wir haben seine Medikamente dabei, doch sie selbst ist auch krank.

Sie hat ganz vergessen ihre Medikamente mit auf die Liste zu schreiben, weil sie sich ganz für ihren Mann aufopfert. Nun beginnt sie weinen. Sie konnte es nicht glauben, dass wir wirklich kommen und helfen. Wir versprechen ihr, ihre Medikamente auch noch zu besorgen.

Eine andere Mutter kümmert sich auch um ihrem Mann, der seit drei Jahren bettlägerig ist. Er hat einen Herzinfarkt erlitten. Sie haben einen 27-jährigen Sohn. Er ist körperlich und geistig schwer behindert. Die Frau kümmert sich um ihre Männer und geht noch halbtags als Kassiererin arbeiten. Als wir ihr die Medikamente bringen, stellen wir fest, dass auch sie sich selbst vergessen hat. Sie ist Asthmatikerin und benötigt unbedingt ein Inhaliergerät. Björn ist auch Asthmatiker. Er schenkt ihr sein noch volles Inhaliergerät. Die Frau ist zutiefst gerührt. Wir alle...!

Obwohl die Menschen in diesem Flüchtlingsheim in Sicherheit sind, mangelt es ihnen an sehr viel. Für die insgesamt 247 Menschen gibt es gerade mal zwei Waschmaschinen. Wir möchten diesen Menschen vier weitere Waschmaschinen besorgen, für jede Etage eine! Wir bitten EUCH daher für diese Menschen zu spenden und zwar JETZT! Wir sind noch über eine Woche in Donezk und können die Waschmaschinen kaufen und sofort übergeben. Wir bitten euch daher um eure Mithilfe. Die Menschen von Donezk werden es euch danken:

Unser Spendenkonto

IBAN: DE31 2505 0180 0910 3098 17
BIC/SWIFT: SPKHDE2HXXX
Name des Kontoinhabers: be the change e.V.

Das sind die Leidtragenden eines Krieges, der offiziell als ein Befreiungsschlag ausgeschrieben wurde.Wer hat hier wen befreit? Wer sind die wahren Opfer? Wenn der Vorhang fällt, kann man nicht mehr wegschauen. Dann kann man nur noch die Hand reichen, zusammen weinen, dann kann man nur noch feststellen, dass wir alle Menschen sind und uns nichts, rein gar nichts voneinander trennt. Dann kann man nur noch IHRE Geschichten weiter erzählen, damit ein Stückchen Gerechtigkeit walten kann, in einem Krieg voller Lügen. Schaut man in ihre Augen, erkennt man die Wahrheit!

Dies sind die wahren Gesichter von Donezk!!