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Tag 7 – 12. Okt. 2016 – Donezk – Besuch der Station für krebskranke Kinder

Im Krieg muss es am Schlimmsten für die Kinder sein, die als noch junge Menschen in einer permanenten Angst aufwachsen müssen und anstatt des Alphabets lernen, wie die unterschiedlichen Geschosse, die täglich auf sie niedergehen, zu bezeichnen und auseinander zu halten sind. Wie schlimm muss es dann erst für die Kinder sein, die sowieso schon an einer lebensbedrohlichen Krankheit leiden, in einer Klinik leben und diese bei Bombenbeschuss noch nicht einmal verlassen können.

Diese Kinder haben wir heute kennenlernen dürfen. Wir haben eine Station für krebskranke Kinder in Donezk besucht. Und wie immer kamen wir natürlich nicht mit leeren Händen. Vier prall gefüllte Bananenkartons mit je zwei Kartons Äpfel und zwei Kartons Bananen haben wir für die insgesamt 28 Kinder mitgebracht, die momentan auf der Station behandelt werden. Frisches Obst ist sehr wichtig für die Genesung der Kinder. Doch leider ist Obst zu teuer, um die Kindern jeden Tag damit zu versorgen.

Die Chefärztin der Station empfängt uns und erklärt, welche Kinder hier behandelt werden, wie diese Behandlung aussieht und dass die Kinder insgesamt neun Monate auf dieser Station verbringen. Die Kinderstation ist mit über 40 Betten ausgestattet, doch momentan können nur 28 Kinder behandelt werden. Die Station hat vor dem Krieg auch Kinder aus der ländlichen Umgebung behandelt. Da nun Teile dieser Regionen auf der ukrainischen Seite liegen, können diese Kinder nicht mehr in die Klinik nach Donezk kommen. Der Chefarzt des Krankenhauses berichtet uns von den Schwierigkeiten mit denen die Ärzte und Krankenschwestern hier täglich konfrontiert werden. Zu Beginn des Krieges sind viele Ärzte geflohen.

Die Wenigen, die übrig blieben, mussten unter permanenten Stress, Schlafmangel und Überforderung die Kinder versorgen. Hinzu kam, dass auch das Krankenhaus selbst beschossen wurde. Während der gesamten Zeit haben sie das Krankenhaus und die Kinder nicht verlassen. Die Ärzte, die jedoch geflohen sind, haben nicht nur eine Lücke in der Belegschaft verursacht, viele von ihnen haben Geräte und wichtige Instrumente für die Behandlung aus dem Krankenhaus geklaut. In der Zeit des Krieges sind so Unmengen an wichtigen Behandlungsgegenständen abhanden gekommen. Besonders schlimm ist dies nun, da teure Geräte fehlen, die unabdingbar sind, um die Kinder zu behandeln.

Wir sind entsetzt! Wieso stehlen die Ärzte diese wichtigen Geräte, auch noch in einer Zeit des absoluten Chaos? Der Chefarzt zuckt mit den Schultern. Er denkt, wenn die Ärzte in den Westen fliehen und sich bei einem Krankenhaus bewerben, haben sie natürlich mehr Chancen auf einen neuen Job, wenn sie gleich ein teures Gerät mitbringen.

Die Chefärztin erklärt uns, welche Geräte unbedingt benötigt werden. Ein Gerät würde das Bestimmen der Krankheitsdiagnose innerhalb von wenigen Stunden erledigen. Ohne dieses Gerät benötigten sie jedoch einige Wochen zur Bestimmung des exakten Krankheitsbildes.

Der Name des Geräts lautet TDx.

Ein Gerät wurde bereits vor dem Krieg gespendet. Es steht seitdem auf der Station, kann aber nicht benutzt werden, da ein Ingenieur der Herstellerfirma das Gerät in Betrieb setzten muss, vorher ist es unbrauchbar. Leider sitzt die Herstellerfirma in Kiew und es ist unter keinen Umständen möglich,

Der Name der Herstellerfirma lautet Beckmann Coulter.

einen Ingenieur aus Kiew nach Donezk zu schicken. Dieser Ingenieur würde höchstwahrscheinlich seinen Job verlieren und von der Kiewker Regierung als Unterstützer der prorussischen Rebellen und damit als Terrorist eingestuft werden, wenn er krebskranken Kindern in Donezk hilft.

Dringend benötigt werden Reagenzgläser.

 

Die Ärzte des Krankenhauses behandeln die Patienten auf höchsten Niveau und halten sich dabei an deutsche Standards, doch bei unserem Spaziergang durch die Station wird sehr auffällig, dass die Klinik unbedingt eine Renovierung benötigt.

Bei unserm Rundgang durch die Station lernen wir auch die Kinder kennen. Besonders schön ist es zu sehen, dass die Mütter der Kinder ebenfalls auf der Station leben können, um rund um die Uhr bei ihren Kindern zu sein.

Ein Junge, der nun bald entlassen wird, spielt uns stolz etwas auf der Gitarre vor. Seitdem er hier auf der Station ist, lernt er dieses Instrument und spielt es schon überraschend gut. Außerdem malt er gern und bastelt kleine Stofftiere.

Die Chefärztin erklärt uns, dass die Kinder Stofftiere und andere Dinge gebastelt haben, diese wurden dann auf Märkten verkauft und so konnten sie das Geld aufbringen, einen wunderschönen Spielplatz direkt vor der Station bauen zu lassen. Es ist in der Tat der schönste Spielplatz, den wir je gesehen haben.

Eine Gruppe von Pflegerinnen spielt und bastelt mit den Kindern im Aufenthaltsraum. Sie erzählen uns, dass sie hier mit den Kindern momentan Weihnachtsdekoration herstellen. Die Kinderklinik in Donezk arbeitet mit einer Kirche in Deutschland zusammen. Sie haben nun den Plan gefasst, die Dekoration nach Deutschland zu schicken, damit es dort auf einem Weihnachtsmarkt verkauft wird. Mit dem Erlös sollen für die Station Spielzeug, Windeln und weiteres benötigten Material gekauft werden. Eine wunderbare, unterstützenswerte Idee, wie wir finden.

Die Kinder basteln kleine, blau-weiße Friedenstauben aus Stoff. Sie wünschen sich, dass diese Tauben, um die ganze Welt fliegen, damit sie Frieden und Freundschaft bringen. Die krebskranken Kinder, die in der umkämpften Stadt Donezk wohnen, und die einen schrecklichen Krieg miterleben, senden ihr kindliches Zeichen des Friedens in die Welt. Wir hoffen, dass die Menschen dort draußen, diese Kinder nicht vergessen werden und dass sie viel Frieden, Liebe und natürlich Gesundheit zurück geschenkt bekommen. Wir haben jedenfalls schon mal zwei Friedenstauben im Gepäck, die wir mit nach Deutschland nehmen werden.

In dieser Klinik gibt es viele Menschen, die sich engagieren. Wir treffen eine Gruppe von Medizinstudentinnen. Sie erzählen uns, dass sie drei Mal in der Woche freiwillig auf die Station kommen, um mit den Kindern zu spielen, zu basteln und ihnen Geschichten vorzulesen. Eine wunderbare Sache, die jeder Mensch, egal ob Medizinstudent oder nicht, einfach selbst machen kann. Eine Studentin schildert ihre Motivation: „Wir haben uns entschieden, Kindern zu helfen. Das werden wir noch unser ganzes Studium durch tun. Wir wollen Kindern Freude bringen.“

Wir sind sehr beeindruckt von der Arbeit, die in dieser Klinik geleistet wird und insbesondere von dem Engagement für die krebskranken Kinder. Die Ärzte und Krankenschwestern kümmern sich auch um Kinder und Jugendliche, die Traumatisches im Krieg erlebt haben. Wir sprechen mit einer Jugendlichen, die eine enorme Narbe von ihrer Schulter bis zum Handgelenk aufweist. Ihre Hand ist steif und sie hat schon etliche Operationen hinter sich. Sie möchte uns ihre Geschichte erzählen.

Während des Krieges lebte sie mit ihrer Mutter, dem Stiefvater und ihrem Bruder in einem Haus. Eines morgens ist sie aufgewacht und bemerkte, dass ihre Mutter auf ihr lag. Sie war tot. Weiterhin fand sie ihren Stiefvater und ihren Bruder. Sie waren auch tot. Das Mädchen konnte sich nicht erklären, was passiert war. Sie fand heraus, dass sie zwei Tage und zwei Nächte bewusstlos auf dem Boden gelegen hatte, der tote Körper ihrer Mutter lag auf ihr und verursachte den irreparablen Schaden an dem Handgelenk des Mädchens. Es ist eine unbegreifliche und schaurige Geschichte. Wir sind zutiefst erschüttert und betroffen. Was war passiert? Was hatte das Mädchen die letzten zwei Tage verdrängt? Wie ist ihre gesamte Familie umgekommen?

Wir können nur hoffen, dass das Krankenhaus auch in Zukunft so vielen Kindern und Jugendlichen wie möglich helfen kann. Wir finden die Idee großartig, dass die Weihnachtsdekoration der Kinder auf deutschen Weihnachtsmärkten verkauft wird. Diesen Austausch würden wir gern fördern. Wer von Euch lieben Lesern hat Kontakte zu Organisationen, Vereinen oder Kirchen, die auf Weihnachtsmärkten Produkte verkaufen? Bitte tretet mit uns in Kontakt!

Wer von Euch hat Kontakt zu Krankenhäusern oder Herstellern von Krankenhausgeräten?? Wir möchten die dringend benötigten Geräte für die Kinderklinik in Donezk besorgen und schnellstmöglich übermitteln.